Der „Kanalarbeiter“ Rios

2000 war er selbst als erfolgreicher Slalomkanute bei Olympia dabei, in London und jetzt auch in Rio ist er als Kursdesigner und Video-Judge aktiv dabei: Thomas Schmidt, Goldmedaillengewinner in Sydney. Im Interview erzählt er von der Olympia-Strecke, der Freude beim Aushängen und seiner Gelassenheit gegenüber den Horrorgeschichten rund um Rio.

MS: So wie 2012 bei den olympischen Spielen London/Lee Valley bist auch im Wildwasserpark in Rio de Janeiro „Deodoro Freizeitpark“ zuständig für die Hängung der Tore. Lastet diese Bürde auf Dir?

TS: Es ist keinesfalls eine Bürde, vielmehr eine große Freude bei solch einem Event die Strecke aushängen zu dürfen.

MS: Konntest Du die neu gebaute Strecke schon live sehen?

TS: Ähnlich wie in London durfte ich auch die Strecke in Rio schon vorab in Augenschein nehmen. Im vergangenen November fand dort das so genannte olympische Test Event statt. Auch dort durfte ich zusammen mit Marianne Agulhon die Strecke für die Test Wettkämpfe designen. Das war harte Arbeit, da die Strecke zu dem Zeitpunkt gänzlich neu war und unglaublich viele Optionen bietet. 

MS: Wie unterscheidet sich die Strecke von der „ersten künstlichen“ Strecke in Augsburg, die Du als Augsburger ja sehr gut kennst?

TS: Die Strecke unterscheidet sich komplett vom Augsburger Eiskanal. Zwar ist es auch eine Kunststrecke, aber wie heute fast üblich wird das Wasser nach oben gepumpt. Der Kanal ist ansonsten viel kürzer und komprimierter, kommt auch mit weniger Wasser aus. Die Einbauten, die letztlich dem Kanal den Feinschliff geben und seine Wildwasserelemente verleihen, sind aus Kunststoff und können im ansonsten gerade verlaufenden Flussbett versetzt werden. 

MS: Du bildest wieder gemeinsam mit der Französin Marianne Agulhon das ICF Kursdesigner-Team. Wann reist du bzw. ihr beide an? 

TS: Ich fliege am ersten August nach Rio, dadurch ist noch genügend Zeit um sich auf die Strecke einzustellen und Ideen für die Toraushängung zu sammeln. Nicht zuletzt, da die Strecke seit November letzten Jahres noch mal leicht modifiziert wurde. An den Einbauten wurde etwas gefeilt, um faire Verhältnisse auf der ganzen Strecke zu schaffen. 

MS: Wo seid ihr untergebracht? 

TS: Untergebracht sind wir in der Nähe von Deodoro in einem „kleinen“ Olympischen Dorf. Dort sind einige der Funktionäre, die im Deodoro Park tätig sind, untergebracht. Somit ist die tägliche Anreise etwas verkürzt, das erleichtert die Arbeit vor Ort. 

MS: Wirst Du freigestellt oder musst Du Deinen Urlaub hierfür einbuchen?

TS: Freigestellt werde ich leider nicht, ich bringe meinen normalen Urlaub dafür ein. Dadurch muss ich für den Familienurlaub schon etwas zirkeln.

MS: Werden die Strecken jetzt neuerdings noch schwerer ausgehängt? Ist das auf dem neugebauten Kurs in Deodoro so ohne weiteres möglich? Wie schwierig darf die Strecke prinzipiell für die Kanuten sein?

TS: Die Strecke in Deodoro ist vom Wildwasser-Schwierigkeitsgrad vielleicht nicht die allerschwierigste. Das ist sicher der späteren Nutzung geschuldet. Wir werden damit nicht Verhältnisse wie in London oder z.B. Pau vorfinden. Es gilt daher wieder den üblichen Spagat zu meistern, die Strecke anspruchsvoll genug für die besten Herren und nicht zu schwer für die vielleicht nicht ganz so starken Damen auszuhängen. Das gilt insbesondere für das olympische Starterfeld, das gegenüber einer Weltmeisterschaft doch etwas erlesener ausfällt. Die Anzahl der Startplätze ist limitiert, aus jeder qualifizierten Nation darf nur EIN Boot an den Start, da sollte die Strecke für alle anspruchsvoll gestaltet sein.

MS: Rio de Janeiro sorgt ja seit Monaten und gerade in den letzten Wochen für sehr viel negative Schlagzeilen: Zika-Virus, Abfallprobleme, Kriminalität, Finanznot usw. Ist Dir da nicht bang davor?

TS: Das sind die üblichen Schreckensnachrichten vor solchen Events. Es kommt immer darauf an, wohin man genau schaut. Bei meinem Besuch im November sind mir schon einige Dinge aufgefallen, die waren nicht wirklich schön: Auffallend ist der große Unterschied zwischen arm und reich. Ich gehe aber davon aus, dass in der Zeit der Olympischen Wettkämpfe vieles auf Vordermann gebracht wird und dass man beim Veranstalter alles Mögliche unternehmen wird, um die Sicherheit der Spiele zu gewährleisten.

MS: Wird Deine Familie auch mit vor Ort sein und wie lange wirst Du überhaupt am olympischen Leben teilnehmen können?

TS: Ich reise alleine, da ich in erster Linie mit einem Auftrag vor Ort bin. Planmäßig komme ich am 14.08. wieder zurück, d.h. es ist im Anschluss an die Slalomwettkämpfe noch ein Puffertag vorgesehen, sollte wirklich etwas für eine Verschiebung im Zeitplan sorgen, wovon wir hoffentlich keinen Gebrauch machen müssen. 

MS: Besuchst Du auch andere Sportarten?

TS: Ich bin also fast zwei Wochen vor Ort, da sollte es irgendwo möglich sein mal irgendein Event zu besuchen. Ideal ist natürlich der Deodoro Park, dort sind gleich mehrere Sportarten, vielleicht klappt ja mal ein Abstecher.

MS: Wie ist die Strecke konzipiert, dass sie nachhaltig in der nach-olympischen Zeit genutzt werden kann? 

TS: Der Kanal erfüllt alle Anforderungen an eine spätere kostengünstige Nutzung, hier haben wir seitens ICF großen Wert darauf gelegt. In Zahlen bedeutet das, dass die Strecke mit 250m Länge, einem Gefälle von 4,5m bei einem Wasserdurchfluss von 12m³/sec vergleichsweise klein ist. Anders ausgedrückt, man hat aus der Vergangenheit gelernt, den Kurs sehr effizient gestaltet und ähnlich wie beim Augsburger Eiskanal die Strömungsverhältnisse zuvor mit einem Modell simuliert. Neben der Wettkampfstrecke gibt es noch einen einfacheren Trainingskurs. Außerdem wird der Aufwärmsee später der Öffentlichkeit als Schwimmbad dienen. Damit wurde ein starkes Paket geschnürt, damit nicht nur der Kanusport, sondern auch die gesamte Bevölkerung davon profitiert. 

MS: Wann beginnen die Wettkämpfe? 

TS: Die Kanuslalom-Wettkämpfe beginnen traditionell recht früh im Verlauf der Spiele. Am Tag 2, also dem 07.08., geht es mit den Qualifikationsläufen los, die ersten Medaillen werden am Tag 4 vergeben und bis zum Tag 6 (11.08.) können wir dann auch hoffentlich erfolgreiche deutsche Sportler, vielleicht sogar aus Augsburg, feiern. Es wird auf jeden Fall spannend.

MS: Thomas, wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir vor Ort eine gute Streckenführung und sei wieder ein guter „Kanalarbeiter“ wie 2012 in London.

Marianne Stenglein, Referentin für Presse / Kanu Schwaben Augsburg

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