Ein Münchner auf dem Siegerpodest der Junioren-EM
Ausgetragen wurden die Rennen auf der Engelberger Aa. Sonstein schnell fließender kanalisierter Fluss mit ein paar Steinen auf der Sprintstrecke, hatte die Aa wegen des recht hohen Wasserstands von um die 40 m³/s so einige Tücken. Beim Wehr auf der Classicstrecke war das Hauptteil geöffnet. Man konnte sich am Rand an der Walze vorbeimogeln, anstatt die bei geringen Wasserständen (holprige) Rutsche zu befahren.
Silber im Classic Einzel
Wegen prognostizierter ausgiebiger Niederschläge am Nachmittag wurde das Programm am Classic-Einzel-Tag gestrafft, so dass Philipp Bluhm zwei Stunden früher dran war als geplant. Fast jedoch wäre er am Hotel vergessen worden (oder hätte zusammen mit seinem Mitstreiter Finn Vogler vom TV-Bitburg die Abfahrt verpasst …).
Bei der Zwischenzeit nach etwa sechs Minuten an der Sprintstrecke lag er zum Zeitpunkt der Durchfahrt etwa eine Sekunde hinter Finn Vogler. Der Münchner konnte jedoch das Tempo halten bzw. noch steigern, so dass er im Ziel knapp vier Sekunden vor dem Bitburger lag. Nach kurzem Luftholen ging das Zittern bis zum Ende des Rennens los, was die Zeit am Ende wert sein mochte.
Der Lokalmatador Aaron Schmitterer hatte bei der Zwischenzeit noch in etwa gleichauf gelegen, kam aber noch mal vier Sekunden hinter Vogler ins Ziel. Drei Sekunden dahinter überraschte Nicolas Nedele-Gomez von der KCD Düsseldorf, der eigentlich als starker Sprinter mit Schwächen auf der Classicstrecke gilt und am Ende den fünften Platz belegte. Nur der zuletzt gestartete Mika Hynek aus Tschechien toppte die Zeit von Philipp Bluhm um sensationelle 21 Sekunden – die Tagesbestzeit, die auch von den anschließend startenden U23-Fahrern nicht erreicht werden konnte.
Silber für Philipp Bluhm und Bronze für Finn Vogler waren die beiden einzigen Medaillen für das deutsche Team an diesem Tag.
Der Erfolg von Philipp Bluhm ist aufgrund der nicht optimalen, schulisch bedingten Vorbereitung umso höher einzuschätzen. In der letzten Vorbereitung wurde ihm dann unerklärlicherweise verboten, schon zeitig in die Schweiz anzureisen. Am Anreisetag gab es keine Trainingsfahrt mehr auf dem kräfteraubendem Fluss, und so fehlten ihm etwa die Hälfte der gewöhnlich geplanten Fahrten vor Ort, gerade die mit genügend Abstand zum Rennen.
Deutschland ist Europameister!
In der Besetzung Philipp Bluhm, Finn Vogler und Nicolas Niedele-Gomez holte das deutsche Junioren-Classicteam den Titel des Europameisters auf der ca. 5,3 km langen Strecke. Mit den Plätzen zwei, drei und fünf aus den Einzelrennen wurden sie ihrer Favoritenrolle gerecht. Die beiden Classicspezialisten Bluhm und Vogler zogen den ausgewiesenen Sprinter Niedele-Gomez über große Teile der Strecke auf der (großen) Doppelwelle den Fluss herunter. Als kräftiger und guter Wildwasserfahrer konnte er auch nach Engstellen immer wieder auf die Welle auffahren.
Als Letzte gestartet, deutete sich schon bei den Zwischenzeiten der Erfolg an (acht Sekunden Vorsprung nach sechs Minuten), nur noch ein größeres Missgeschick hätte den Erfolg verhindern können. Im Ziel lag das deutsche Team dann 15 Sekunden vor den zweitplatzierten Franzosen und 19 Sekunden vor den Tschechen. Mit ihrer Zeit wären sie in der höheren Klasse der U23 noch Dritte geworden.
Silber in der Sprint-Mannschaft
Nach einer Trainingsfahrt am Morgen in Abwesenheit der selbst paddelnden Betreuer wurden die Junioren-Kajaksportler von ihren Heimtrainern privat zum Klassikstart gefahren, um sich für das Sprint-Finale warm zu fahren. Die Verbandsbusse durften ihre Parkplätze nicht riskieren …
Aus deutscher Sicht war das Sprint-Finale vor allen Dingen ein Kampf um den Mannschaftsplatz, da alle vier Kandidaten im Finale vertreten waren. Paul Denhof aus Köln legte vor: 53,911 Sekunden. Philipp Bluhm parierte mit 53,915 Sekunden – 4 Tausendstel dahinter –, Paul sicher in der Mannschaft. Finn Vogler benötigte 54,087 Sekunden– damit war auch Philipp sicher in der Mannschaft. Als Letztes startete der Vorlaufsieger Nicolas Niedele-Gomez, der mit 53,088 Sekunden insgesamt den Bronze-Rang belegte und sich damit ebenfalls für die Mannschaft qualifizierte.
Die Plätze 3, 5, 6 und 9 für das deutsche Team lassen die Grenze zwischen „Sprintern“ und „Classic-Spezialisten“ verschwimmen. Man kann bei der derzeitigen starken Juniorengeneration inzwischen eher von Generalisten mit der einen oder anderen Stärke sprechen.
Pünktlich zum Mannschaftsrennen zog der Himmel zu und leichter Regen setzte ein. Bei den letzten Mannschaftsrennen wurde der Regen etwas stärker, und Wind kam auf.
Die geplante Taktik war, dass Niedele-Gomez als stärkster vorne am Ufer verzögert startet, so dass Denhof und Bluhm auf den Positionen zwei und drei die Startlichtschranke auslösen. Um den Vollgas startenden Paul dabei nicht zu sehr zu bedrängen, fuhr Philipp etwas zu wenig energisch los und hatte deshalb über die Hälfte der Strecke Schwierigkeiten, wieder an Paul heranzukommen. Niedele-Gomez war zwischenzeitlich schon vorbeigezogen. Im Zielsprint kam Philipp noch mit der Spitze auf die Höhe von Nicola‘s Flügel. Das reichte für die Silbermedaille. Frankreich siegte 0,43 Sekunden vor dem deutschen Team.
Die Ergebnisse des deutschen Teams zeigen, dass es sich lohnt, sich selbstständig auf einen Jahreshöhepunkt wie die Junioren-EM vorzubereiten: Die, die vorab zum Training vor Ort waren oder sich aus eigener Initiative zum Mannschaftstraining verabredeten, waren am Ende die Medaillen- und Sieg-Lieferanten.
Text + Fotos: Jesko Klammer
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