Pilotprojekt "Sicherheit auf Binnenschifffahrtsstraßen"

Schweinfurt. Eigentlich kannten sich die 15 Teilnehmer am Lehrgang „Sicherheit auf Binnenschifffahrtsstraßen“ trotz unterschiedlicher Vorkenntnisse schon mehr oder weniger im Begegnungsverkehr mit Großschiffen und beim Schleusen aus. Aber Lehrgangsleiter Stefan Andreas Schmidt, Ressortleiter Sicherheit im Bayerischen Kanu-Verband, hatte dennoch viel Neues zu bieten. Jeder konnte noch dazulernen - auch Schmidt selbst, denn dieser Lehrgang war auch für ihn und sein Ressort ein Pilotprojekt.

Der Bedarf dafür ist bei den Kanusportlern durchaus gegeben. Das hatte sich schon 2014 beim Pilotprojekt „Übungsleiter Touring“ herausgestellt. Doch das Thema „Binnenschifffahrtsstraße“ konnte aus zeitlichen Gründen dabei nur gestreift werden. Eine eigene Schulung dafür schien die logische Fortsetzung.

Dass die Begegnung auf einem relativ kleinen Fluss mit großen Schiffen und das Schleusen nicht das Thema der südbayerischen Wildwasserfahrer ist, verwunderte nicht. Aber selbst einige Paddler des gastgebenden Vereins DJK Schweinfurt bekannten, dass sie bisher kaum geschleust hätten. Unter ihnen waren auch zwei bekennende SUPler, die wiederum das Thema Schleusen zum Pilotprojekt werden ließen …

Sehen und gesehen werden

Vor der Praxis stand die Theorie. PHK Bernhard Stephan vom Wasserwirtschaftsamt Schweinfurt erklärte die Funktion seiner Behörde und der Wasserschutzpolizei (früher: Strompolizei) und wie solche Kontrollen der Großschifffahrt aussehen. Anschaulich demonstrierte er per PowerPoint-Präsentation den Sichtschatten des Schiffsführers sowie Strömungen, Druck und Sog am fahrenden Schiff. „Sehen und gesehen werden ist die billigste Lebensversicherung“, meinte Stephan und gab als Richtlinie: „Man muss die Unterkante des Fensters des Steuerhauses sehen können.“

Am besten sollten Paddler im Tonnenstrich fahren (die fehlten allerdings auf dem Main im Bereich Haßfurt bis Garstedt, auf dem die Lehrgangsteilnehmer die Theorie in die Paddelpraxis umsetzten), damit man schnell ausweichen kann. Und wenn die Seite gewechselt werden muss, gilt: immer alle gemeinsam! Ganz besonders auf dem viel befahrenen Rhein ist das wichtig, wusste Stefan Andreas Schmidt. Er zog den bildhaften Vergleich: „Auf dem Rhein paddeln, ist wie die Autobahn mit dem Radl fahrn.“

Paddeln verboten

Auch auf dem Wasser gibt es für Schiffsführer eine Promillegrenze: 0,5 ‰ gilt auf Binnen- und Schifffahrtsstraßen auch für Paddler, bei Ausfallerscheinungen (lallen, schwanken etc.) sogar 0,3 ‰. Der Bodensee bildet mit 0,8 ‰ eine Ausnahme. Ein Überschreiten der Werte kann u. U. sogar den Führerschein kosten!

Wichtig waren auch Bernd Stephans Informationen zum Hochwasser: Sobald die Schifffahrt eingestellt ist, ist auch das Paddeln verboten. Sicherer ist es aber, schon vorher nicht mehr mit dem Kanu aufs Wasser zu gehen. Unter www.hnd.bayern.de sowie unter www.elwis.dekönnen die aktuellen Hochwasserstände abgerufen werden. Der hnd (Hochwassernachrichtendienst) bietet sogar eine nützliche Hochwasser-App für Smartphones an, die individuell eingestellt werden kann.

Rund-um-Licht

Ein anderes Thema war das Paddeln bei Dunkelheit – für viele Leistungssportler ein Thema, wenn sie erst nach der Arbeit trainieren können. Dann ist ein weißes Rund-um-Licht an der höchsten Stelle (Helm bzw. Kopf) Pflicht. Wie im Straßenverkehr gilt das auch für schlechte Sicht, z. B. bei Starkregen und Nebel. www.bootsport.info heißt die Info-Seite des Bayerischen Innenministeriums, die u. a. über Richtlinien und die Kennzeichnungspflicht aufklärt. Die Schifffahrtszeichen sollten schon vor der Fahrt gut bekannt sein.

Schleusen am Bildschirm

Der Schleusenwärter gehört in Bayern der Vergangenheit an. In den letzten Jahren hat modernste Technik Einzug gehalten, davon konnten sich die Lehrgangsteilnehmer an Ort und Stelle überzeugen. Vier Schleusen gleichzeitig überwachen die Mitarbeiter der Leitzentrale Haßfurt mittels Kameras und Bildschirmen.

Kein Zentimeter von der Schleuseneinfahrt bis zum Verlassen des Areals bleibt unbeaufsichtigt. Hinzu kommt der Kontakt per Telefon oder – allerdings nur in Richtung Schleuse – per Lautsprecher. Kanusportler, die in der großen Kammer schleusen wollen, sollten ca. 20 Minuten vorher mit der Leitzentrale telefonischen Kontakt aufnehmen, empfahlen die Experten.

Kein Statement

Die Mitarbeiter erklärten die Schleusenvorgänge geduldig. Selbst beide Freizeitkapitäne (auch im Kanu), konnten sie die Fragen der Paddler gut nachvollziehen und praxisnah beantworten. Doch ob auch ein Stand-up-Paddler in der Großschleuse mitgenommen würde? Mh, ja – das käme wohl auf einen Versuch an. Sie selbst hätten damit kein Problem, aber wie ihre Kollegen das handhaben … ???

Die Schweinfurter Kollegen hatten damit dann tatsächlich ein Problem und wollten die Verantwortung nicht übernehmen. Die beiden SUPler mussten umtragen. Auch PHK Stephan konnte zur Rechtslage schon kein Statement abgeben. Das ist wohl noch nicht im Reglement vorgesehen.

Einen Strick benutzen

Nach so viel Theorie folgte die Praxis auf der Binnenschifffahrtsstraße Main, und die hätte kaum herausfordernder sein können: An der engsten Stelle des Mains begegnete die Gruppe einem Bergfahrer. Die „Seemannschaft“ löste sich dazu von der bis dahin und auch anschließend wieder praktizierten „Leitertechnik“ (je zwei Boote nebeneinander) zu einer Schlangenlinie (alle fahren hintereinander) auf. So hatten Schiff und Schiffchen mehr Platz, sich zu begegnen – und die Kanus konnten mühelos über die Wellen gleiten.

Problemlos ging auch das Schleusen in der großen Kammer vonstatten. „Am besten nicht an der vordersten Leiter anlegen“, empfahl Stefan Andreas Schmidt, „dann könnt Ihr da immer noch festmachen, falls es Euch abtreibt.“ Wer sich seine Hände beim Festhalten an der bemoosten Leiter nicht schmutzig machen möchte, kann stattdessen auch einen Strick benutzen, wie der Lehrgangsleiter demonstrierte. Dass die Ampelsignalisation Rot – Grün beachtet werden muss, ist selbstverständlich.

Striche beachten

Das traditionelle Dankeschön an die Schleusenwärter, das dreimalige Ahoi, hat jetzt allerdings keinen Sinn mehr, stellten die Paddler fest. Die „Schleusenwärter“ bzw. Mitarbeiter der Leitzentrale können es nicht hören. Aber sie sehen alles, was in der Schleuse passiert – also bleibt noch das Winken.

Bei der Tour von Schweinfurt nach Garstedt am folgenden Tag ließ Stefan Andreas Schmidt die Gruppe die kleinere Sportbootschleuse benutzen. Auch hier sollte man wissen, was man darf, kann und soll. Das beginnt beim Einfahren der Boote (unbedingt die Striche beachten, sonst könnten unten „Faltboote“ die Schleuse verlassen, weil der Betonsockel stärker war als das Boot), über das Knopfdrücken, um den Wasserstand zu regulieren (gedrückt lassen, sonst geht es sehr langsam) bis hin zur Ausfahrt. Dabei ist es sinnvoll, wenn die Bootsspitzen gleich aus dem Aktionsradius der Schleusentore ferngehalten werden.

Die Stand-up-Paddler schleusten mit der Gruppe – kein Problem, vor allem, wenn sie sich auf das Board knien.

Gerettet

Geplant war eigentlich, auch das Retten bei einer Kenterung in der Schleuse zu üben. Aber niemand wollte bei dem ungemütlichen Wetter freiwillig ins kalte Wasser - fast niemand. Nur Rudi ging über Bord – unfreiwillig. Aber er war ebenso schnell wieder auf das Kajak gehievt. Ein Hund mit Schwimmweste lässt sich von der geübten Hand seines Herrchens doch schneller retten, als ein gekenterter Paddler von einer ganzen Gruppe.

Der direkte Kontakt zum Wasserschifffahrtsamt und zur Wasserschutzpolizei war auch für die fünf Teilnehmer der DJK Schweinfurt besonders wichtig, wie sie bei der Abschlussbesprechung betonten. Es war eine gute Chance, ihre Ansprechpartner persönlich kennen zu lernen.

Diese Chance will Lehrgangsleiter Stefan Andreas Schmidt auch im kommenden Jahr wieder bieten – dann den Regensburger Kanuten. Für 2016 ist die Schulung in Regensburg auf der Donau geplant, und dazu sind alle interessierten Kanusportler eingeladen.

Text und Fotos: Uschi Zimmermann

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