Praktikant im Ehrenamt

Ein Jahr lang „mitlaufen“ ohne spätere Verpflichtung.
Es ist im Verband nicht anders als in den Vereinen: Für alle Ehrenämter werden irgendwann Nachfolger gesucht, mal mehr, mal weniger dringend. Muss man es wirklich bis zum Tag X darauf ankommen lassen nach dem Motto: „Es wird sich schon einer finden, wenn ich aufhöre?“

Ja, meistens findet sich dann „Irgendeiner“. Ansonsten bleibt das Amt erst einmal – evtl. über Jahre – unbesetzt bzw. wird von Kollegen mit übernommen. Das kann aber nicht im Sinn der Sache sein.

Und wenn bei der Wahl jemand „Ja“ sagt: Wie gut weiß er/sie bei der Amtsübernahme über sein/ihr neues „Geschäft“ Bescheid? Eingearbeitet tritt „Irgendeiner“ nicht an, Frust ist vorprogrammiert. Und auch wenn er/sie seinen/ihren Vorgänger um Rat fragen kann, so gehen in der Regel doch eine Menge Kompetenz und Erfahrung verloren.

Uhren ticken anders

Wie viele Funktionäre stöhnen: Ach, hätte mich nur jemand mitgenommen und an die Themen herangeführt! Oder mich wenigstens mit den Menschen vertraut gemacht, mit denen ich arbeiten muss! Das hätte manches erleichtert und viel Zeit gespart.

Auf berufliches Wissen kann sich der/die „Neue“ bestenfalls bei der Bedienung von Office-Programmen stützen. Im Ehrenamt, d. h. im Vereins- und Verbandsgeschäft, ticken die Uhren anders. Umgekehrt aber profitiert jeder Funktionär im Beruf von seinem großen Erfahrungsschatz im Ehrenamt.

Überforderung?

Im Bayerischen Kanu-Verband hat man sich über diese Thematik Gedanken gemacht und versucht, neue Wege zu finden. An erster Stelle stand die Ursachen-Forschung: Warum finden sich so schwer Nachfolger für ein Amt?

Da könnte die Angst vor Überforderung eine wichtige Rolle spielen, zumal diese großenteils auf fehlendes Wissen über die Anforderungen eines Amtes und an den künftigen Funktionär zurückzuführen sein dürfte. Denn der potenzielle Nachfolger weiß oft weder, was sein Vorgänger überhaupt gemacht hat, noch welche Kompetenzen dafür nötig sind und schon gar nicht, welcher Zeitrahmen (pro Woche/Monat).

Natürlich ist nicht jeder für ein Amt geeignet (kein Interesse am Vereins-/Verbandsgeschehen) – oder vielleicht nur nicht gleich? So mancher ist sehr stark im Berufsleben eingebunden oder in der Familie – oder er steht bereits bei einem anderen Ehrenamt in der Pflicht.

Das muss kein NEIN auf immer und ewig sein, vielleicht sogar nur für den Moment. Kinder werden größer und selbstständiger, und im Beruf geht so manche heiße Phase vorbei, wenn man sich abgesichert fühlt.

Praktikum für ein Jahr

Nur weiß der Kandidat dann immer noch nicht über die Anforderungen eines infrage kommenden Amtes Bescheid. Warum kann man hier nicht vorsorgen? Das wäre die Chance eines Praktikums im Ehrenamt!

Man schafft Transparenz (Anforderungen werden geklärt), und der Praktikant fühlt sich durch den von vornherein überschaubaren Zeitrahmen von einem Jahr nicht gedrängt. Das Praktikum ist ohne jegliche Verpflichtung für den Praktikanten – aber natürlich auch ohne Garantie, dass schnell für eine Nachfolge gesorgt ist.

Attraktiv ist ein Praktikum für Interessenten, die sich nicht sofort binden wollen oder können (Zukunftsperspektive). Erst recht, wenn der Amtsinhaber (Mentor) in der Zusammenarbeit Spaß an den Aufgaben vermitteln kann. So wird auch niemand ins kalte Wasser geworfen und muss erst einmal „schwimmen“.

Spaß und Erfolg

Der Praktikant lernt das Ehrenamt ohne Vorurteile kennen. Praxisnah, ehrlich und authentisch, mit allen Vor- und Nachteilen. Er darf den Amtsinhaber zu Veranstaltungen und Tagungen begleiten und lernt hier engagierte und interessante Persönlichkeiten kennen: Funktionäre auf allen Ebenen – auch in den Dachverbänden; Sportler vom Schüler bis zum Olympiasieger, Politiker jeder Couleur bis zum Minister. Der Praktikant lernt, wie man Verbandspolitik aktiv mitgestalten kann und kann sich nebenher selbst ein Netzwerk schaffen.

Nach einem Jahr darf ein neuer Praktikant den Funktionär im Amt begleiten.

Wer in seinem Praktikum Spaß und Erfolge erleben konnte, wird sich immer gerne an seine Erfahrungen erinnern und steht vielleicht in zwei, vier oder sechs Jahren für eine Nachfolge zur Verfügung. Wenn sein eigenes Leben in geregelten Bahnen verläuft und er Kopf und Zeit frei für das Ehrenamt hat.

Warum also nicht frühzeitig – ohne dringende Notwendigkeit – an eine Einarbeitung mittels Praktikums denken?

Redaktion

* Gender Mainstreaming: Im Hinblick auf eine bessere Lesbarkeit haben wir – wie bei allen Artikeln im kanu-kurier und auf unserer Homepage – hier zwar die männliche Form verwendet, aber immer sind jedoch alle sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten gemeint.

Wir möchten einem Praktikanten Einblick geben:

Wer Interesse hat, bitte direkt beim zuständigen Amtsinhaber melden.
Übrigens: Niemand der Genannten will in der nächsten Zeit sein Amt abgeben.

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