Schwarzer Tag für die Isar

Die mündliche Verhandlung vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) über den "Antrag auf Normenkontrolle" gegen die saisonale (15.10. bzw. 1.1. bis 1.6. jeden Jahres) Komplettsperrung der Isar im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist für den Kanusport sehr enttäuschend ausgegangen: Der VGH hat den Antrag von BKV, der B.E. und weiterer Einzelpersonen auf Aufhebung der Isar-Verordnung abgewiesen.

Da eine schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, ist es noch nicht möglich, die Auswirkungen der Entscheidung auf den Kanusport auf Bayerns Fließgewässern zu beurteilen. „Die Antragsteller hatten argumentiert, dass die Beeinträchtigungen der Natur, auf die die Verordnung gestützt wurde, nicht hinreichend belegt sind, um die Grundrechtseinschränkungen zu rechtfertigen. Ihre Sorge ist, dass so ganz erhebliche Einschränkungen der verfassungsgemäßen Rechte der Bürger*innen auf Erholung in der freien Natur ("Gemeingebrauch") selbst auf Grundlage nur "hypothetischer Risiken" für Fauna und Flora verwaltungsrechtlich möglich und zulässig ist,“ äußert sich der BKV-Anwalt Dr. Steffen Kautz. Er meint dazu: „Dies wäre eine Art "Freibrief", um den Gemeingebrauch ohne einen konkreten Nachweis oder auch nur entsprechende qualitative/quantitative Abschätzung von (behaupteten) Störungen/Schädigungen einzuschränken. Ein Gegenbeweis durch die Betroffenen, dass die behaupteten ‚hypothetischen Risiken‘ auszuschließen sind, wäre dagegen in der Regel unmöglich zu erbringen – was zu verlangen darüber hinaus praktisch eine Umkehr der Beweislast darstellen würde.“

Nun bleibt abzuwarten, inwiefern eine Analyse der noch ausstehenden, detaillierten Urteilsbegründung Hinweise darauf liefern kann, ob und inwieweit aus der Entscheidung Rückschlüsse für andere Gewässer gezogen werden können und inwieweit eine gerichtliche Überprüfung behördlicher Rechtsverordnungen zur Einschränkung der verfassungsgemäßen Grundrechte auf Erholung in der freien Natur in Bayern zukünftig möglich ist.

Unseres Erachtens ist der Kanusport auf Bayerns Fließgewässern grundsätzlich naturverträglich. Beeinträchtigung gefährdeter Fisch- oder Vogelarten können durch zielgenaue Maßnahmen vermieden werden. Wenn der Zugang zur Natur und zur Erholung in ihr zu sehr beschränkt wird, wird die Natur dem Menschen fremd und das Verständnis der Menschen für die Erforderlichkeit des Naturschutzes schwindet.

„Der VGH hat die Revision nicht zugelassen. Dennoch ist das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich gegeben. Wir werden prüfen, ob wir dieses Rechtsmittel einlegen werden, wenn wir die schriftlichen Urteilsgründe kennen. Diese werden uns, wie die Vorsitzende Richterin in der mündlichen Verhandlung mitteilte, in spätestens fünf Monaten den Beteiligten übermittelt,“ beschreibt Dr. Kautz die aktuelle Situation.

Somit war die Verhandlung ein echter "schwarzer Tag" für alle naturliebhabenden Erholungssuchenden - insbesondere für kleinere "Randgruppen" ohne lautstarke Lobby. Denn eine mit gleichlautender Argumentation über "hypothetische Risiken", gleichermaßen zu begründende saisonale Komplettsperrung der gesamten Isarauen (z.B.) auch für Spaziergänger/Badende/Radfahrer ..., wird es selbstverständlich nicht geben, da der öffentliche Aufschrei in diesem Fall jeden Politiker/Behördenvertreter sofort aus dem Amt fegen würde.

Einzige Hoffnung: Die auf parlamentarischer Seite noch weiter laufende und zur Entscheidung anstehende Petition an den Bayerischen Landtag bietet zumindest noch eine letzte, wenn auch (nach dem VGH-Urteil) nur geringe Chance auf Verbesserungen an der Isar-Verordnung für uns Kanuten.

Allerdings gilt jetzt erst recht: Wir dürfen uns hiervon nicht entmutigen lassen, sondern sollten uns im Gegenteil alle verstärkt für unseren schönen und naturverträglichen Kanusport engagieren, bevor es wirklich „zu spät“ ist. So kann z. B.:

  • einer Enttäuschung über diesen Verfahrensausgang in sachlichen Leserbriefen oder in persönlichen Briefen an die jeweiligen Landtags-Abgeordneten Luft gemacht werden,
  • durch regelmäßige Gespräche vor Ort mit Vertretern der Naturschutzorganisationen und Wasserwirtschaftsämter sowie anderer Behörden vor Ort die Eskalation von Interessenskonflikten frühzeitig verhindert und wechselseitiges Verständnis für die Bedürfnisse von Naturschutz und Natursport gleichermaßen aufgebaut werden,
  • der wertvolle Beitrag unserer Kanu-Vereine für die Gesellschaft (z.B. durch soziale Integration, Jugendarbeit und die Ausbildung in Belangen des Umweltschutzes sowie der sicheren und naturverträglichen Sportausübung) regelmäßig in der lokalen und regionalen Presse positiv dargestellt werden.

Nur durch höheres Engagement des/der Einzelnen hat unser kleiner Kanusport-Verband die Chance, sich im lauten Geschrei größerer Lobbygruppen ausreichend Stimme und Gehör verschaffen – und so nicht als egoistische Randgruppe oder gar Bedrohung von anderen diffamiert, sondern als aktive Beschützer unserer Gewässer-Ökosysteme von der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen (und unterstützt) zu werden

Gerade in Zeiten, in denen unsere Natur von immer mehr (und leider oft rücksichtslos agierenden) Besuchern „heimgesucht“ wird, liegt es an uns ernsthaften Natursportlern, uns durch entsprechend regelmäßige Kontakte und gemeinsame Aktionen mit Naturschutzorganisationen als engagierte Unterstützer für wirksame und faire Naturschutzlösungen zu positionieren.

Aber lassen wir uns nicht täuschen: Auch wenn das Urteil im Moment „nur“ die Isar-Verordnung betrifft, so könnte das damit legitimierte Verfahren zur Einschränkung des Gemeingebrauchs (nicht nur für Kanusportler!) schnell Schule machen. Es ist jedenfalls „5 vor 12“: Die Buschtrommeln lassen bereits Schlimmeres befürchten …

Dr. Stefan Schmidt, Ressortleiter Umwelt und Gewässer / Redaktion

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