Fränkische Saale weiter „bis auf Weiteres“ gesperrt

Der Runde Tisch des Landratsamtes Bad Kissingen hat eine neue Einschätzung der Situation ans Licht gebracht und die Sperrung zumindest wieder „in Fluss“. „Ziel war“, so sagt die BKV-Bezirksvorsitzende Susanne Patzelt, „dass nicht nur wir organisierten Paddler die Fränkische Saale wieder befahren dürfen und dass der Landkreis die Allgemeinverfügung zurücknimmt.“

Das hat nicht geklappt, aber alle Seiten – Landratsamt, Wasserwirtschaftsamt, Umweltamt, Kanutouristiker und Bayerischer Kanu-Verband – haben sich angenähert, und ein kleiner Kompromiss steht im Raum.

Das Landratsamt Bad Kissingen hat auf Empfehlung des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen beschlossen, den Kanusport auf der Fränkischen Saale „bis auf Weiteres“ im gesamten Landkreis – auf über 66 km Länge – zu verbieten. Zum Schutz der Paddler, wurde ins Feld geführt.

Denn man fürchtete allen Ernstes (?), dass Kanuten von umstürzenden Bäumen getroffen und verletzt oder gar erschlagen werden könnten. Schätzungen des Wasserwirtschaftsamtes zufolge wurden an verschiedenen kurzen Teilabschnitten ca. 20 bis 35 % der am Ufer wachsenden Bäume als „einsturzgefährdet“ kategorisiert – doch eine detaillierte Bestandsaufnahme fehlt bis heute. Klimatisch bedingte Hoch- und Niedrigwasser, umfangreicher Biberverbiss, durch Pilze beschädigte Bäume und einhergehend in den letzten Jahren offensichtlich vernachlässigte Baumpflegearbeiten stützen diese Befürchtungen.

Unmittelbar am Wochenende, nachdem diese Allgemeinverfügung im Amtsblatt des Landkreises Bad Kissingen – für den organisierten Kanusport absolut überraschend – veröffentlicht wurde, feierte der Bayerische Kanu-Verband (BKV) in München sein 100-jähriges Jubiläum. In seiner Chronik berichtet der BKV auf vielen Seiten vom steten Widerstand gegen zahlreiche Befahrungseinschränkungen und -verbote. Aber dass jemals in diesen 100 Jahren ein Kanusportler durch einen herabfallenden Ast oder gar durch einen umstürzenden Baum zu Schaden gekommen wäre, ist nie bekannt geworden. Kanusportler leben seit jeher mit dieser latenten Gefahr und haben gelernt, vorausschauend damit umzugehen. Eine Warnung, wie sie mehrfach im letzten Jahr erfolgt ist, genügt nach Meinung des BKV vollständig für qualifizierte Paddlerinnen und Paddler und wird in seinen Medien veröffentlicht.

„So kann man mit dem Thema Gemeingebrauch nicht umgehen“, echauffiert sich Dr. Stefan Schmidt, Ressort Umwelt und Gewässer im Bayerischen Kanu-Verband. Auf dem Wasser gelten das gleiche Recht und die gleiche Gefahr wie im Wald. Die Fränkische Saale ist kein Rinnsaal, in dem ein Kanu rechts und links eingeengt wäre, sondern ausreichend breit. Ein Paddler fährt in der Regel immer im Stromstrich, d. h. dort, wo die Fließgeschwindigkeit am größten und der Fluss am tiefsten ist.

An der Fränkischen Saale sind offensichtlich nur die Kanuten tangiert. Angler, Spaziergänger und Radfahrer trifft diese mögliche Gefahr scheinbar nicht, denn sie betrifft die Allgemeinverfügung nicht. Laut Aussage des Wasserwirtschaftsamtes wurden die Sicherheitsbelange dieser Nutzergruppen geprüft und die Bewegung an Land als sicherer vor Ast- und Baumbruch eingeordnet als die Bewegungen, die auf dem Wasser stattfinden.

Gegen die Verordnung hat sich inzwischen Widerstand formiert. U. a. steht die Stadt Hammelburg nicht hinter der Entscheidung des Landratsamtes, aber auch nicht die Touristikvereinigung Saalestück. Die Jugendbildungsstätte und Jugendherberge Heiligenhof klagt, dass durch die Restriktionen zahlreiche Schulen und Jugendgruppen von diesem Naturerlebnis ausgeschlossen werden. Für den Tourismus kommt das Paddelverbot teilweise einer Insolvenz gleich. Denn den Kanu-Touristikern mit Campingplätzen, der Hotellerie und Gastronomie brechen damit nach Corona erneut sämtliche Einnahmen aus diesem Geschäftszweig weg. Mitarbeiter mussten für die kommende Saison bereits ausgestellt werden.

2007 wurde die Fränkische Saale in einem Leader+-Projekt als Wasserwanderweg eröffnet. Die Infrastruktur wie Umsetzanlagen etc. wird über das Biosphärenreservat instandgehalten. Über die Unterhaltsverpflichtung des restlichen Wasserweges bestehen jedoch rechtliche Zweifel an der Zuständigkeit.  Zum jetzigen Zeitpunkt liegt diese beim Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen, das sich in den vergangenen Jahren nicht intensiv genug mit Baumpflegearbeiten an den Saale-Ufern auseinandersetzte.

Umgestürzte Bäume – insbesondere nach Stürmen – sind untrennbar mit der Natur verbunden. Wie auch in Wäldern und Parks wird auf dem Wasser kein vernünftiger Mensch eine direkte Gefährdung suchen. Jedem ist zudem bewusst, dass er nach einem solchen Wetterereignis mit bereits umgestürzten Bäumen und weiterer Gefährdung rechnen muss.

Im Vorfeld der aktuellen Allgemeinverfügung waren die Betroffenen über die geplante Sperrung nicht informiert worden. So entlud sich der Unmut nach der Veröffentlichung im Amtsblatt des Landkreises Bad Kissingen, dokumentiert auch über eine Petition des Bayerischen Kanu-Verbandes mit über 8.000 Unterzeichnern innerhalb einer Woche, das jetzt zu einem Runden Tisch einlud. Isa Winter-Brand, Susanne Patzelt und Mareen Deville vertraten dabei den Bayerischen Kanu-Verband, Bezirk Unterfranken. Sie wollen ebenso wie die Kanu-Touristiker nicht klein beigeben.

Landrat Thomas Bold hatte sich bei allen Entscheidungen stets auf die Expertisen seiner Fach-Abteilungen gestützt. Bei dem Gespräch wurde allen involvierten Entscheidungsträgern klar, dass ihnen die Folgen einer Komplettsperrung in diesem Ausmaß gar nicht bewusst waren. Mit Tränen in den Augen fürchtete eine junge Touristikunternehmerin um ihre wirtschaftliche Existenz Auch andere Betriebe, u. a. die Akademie Heiligenhof, mussten Stornierungen hinnehmen und klagen über große Verluste. Landrat Bold zeigte sich sichtlich betroffen und bemüht, eine Lösung zu finden.

Doch es hängt auch viel von den finanziellen Mitteln ab, die für die Verkehrssicherung, aber auch für die Sanierung und Wiederaufforstung der Uferbereiche von Seiten des Wasserwirtschaftsamts notwendig sind. Der Landkreis hat diesbezüglich bereits ein Unterstützungsersuchen an den bayerischen Umweltminister Torsten Glauber gesandt. Dem Personalmangel beim Wasserwirtschaftsamt wollen umliegende Gemeinden und andere Institutionen wie der Landschaftspflegeverband mit tatkräftiger Unterstützung abhelfen.

Als vorläufiger Kompromiss wird die Kanutouristik zwei für sie wichtige Paddelstrecken auswählen, die schnellstmöglich mit absoluter Priorität von umsturzgefährdeten Bäumen freigeräumt werden. „Wir hoffen, noch in diesem Frühjahr“, so Landrat Bold. Die schnelle Öffnung von verkehrsgesicherten Einzelstrecken sagte der Landrat unmittelbar zu.

Der Bayerische Kanu-Verband erwägt eine juristische Vorgehensweise, schon allein, um die Klagefrist nicht zu versäumen. Isa Winter-Brand wird mit den Vertretern des gewerblichen Kanutourismus an der Fränkischen Saale in Verbindung bleiben. So kann auch künftig mit abgestimmten Positionen agiert und möglichst einvernehmliche Lösungen erreicht werden.

Bezirk Unterfranken

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