Das Olympia-Team steht

Funk, Lilik, Hegge und Tasiadis haben das Olympia-Ticket für Paris gelöst – in vier aufreibenden Wettkämpfen. Erst der letzte Wettkampftag der deutschen Olympia-Qualifikation im Kanuslalom brachte die Entscheidung.

Der letzte Wettkampftag der deutschen Olympia-Qualifikation im Kanu-Slalom am Sonntag in Markkleeberg war an Dramatik nicht zu überbieten. Ricarda Funk (K1), Elena Lilik (C1), Noah Hegge (K1) und Sideris Tasiadis (C1) haben das Olympia-Ticket für Paris 2024 gelöst. Außer bei Funk war es ein Kampf bis zum letzten Rennen. Mit Lilik und Hegge stehen zwei Debütanten im deutschen Team.

Mit welchem Druck die Athletinnen und Athleten umgehen mussten, zeigte am deutlichsten Elena Lilik von den Kanu-Schwaben Augsburg. Die Doppelstarterin hatte im Kajak-Einer keine Chance mehr, blieb noch der Canadier-Einer. Im letzten Rennen musste ein Sieg gegen die Tokio-Olympiabronze-Gewinnerin Andrea Herzog vom Leipziger KC her. Ihr Finallauf war nicht perfekt, das wusste die 25-Jährige. Dann musste sie warten, was ihre Dauerrivalin macht. „Ich hatte einfach gehofft, dass mein Lauf reicht“, sagte Lilik, für die es die ersten Olympischen Spiele sind. Als die Leipzigerin im Ziel war und eine zwei an der Anzeigetafel stand, brach Lilik unter Tränen zusammen. All ihre Emotionen entluden sich in langanhaltenden Schreien. „Es ist so verrückt“, sagte sie. Dass es am Ende für die Augsburgerin aber auch reichte, verdankt Lilik ihrem einen Bonuspunkt, den sie sich bei der WM voriges Jahr in London gesichert hatte, und der in die Wertung mit einfloss.

Noch dramatischer ging es bei den Kajak-Herren zu. Stefan Hengst (KR Hamm) hatte keine Chance mehr, war aber das Zünglein an der Waage. Hannes Aigner (Augsburger KV) musste gewinnen, setzte sich im letzten Finale auch vor Noah Hegge (Kanu Schwaben), der vor ihm gestartet war. Als Halbfinalerster fuhr Hengst als letzter Starter im Finale. Er erwischte einen fabelhaften Lauf und setzte sich 0,62 Sekunden vor Aigner. Der glückliche Gewinner des Olympia-Tickets ist damit Noah Hegge. Beim anschließenden Interview wirkte der 25-Jährige eher, als hätte er den Zweikampf verloren. „Ich checke das gerade noch gar nicht so richtig“, erklärte er. Es sei schon verrückt und er warte, was jetzt alles kommen werde. Denn es sind die ersten Olympischen Spiele für ihn.

Für Aigner und Hengst ist es aber noch nicht ganz vorbei. Sie dürfen den Traum von Olympia noch träumen. Doch dazu müssen Hengst oder Hegge beim Weltcup in Prag erst den Quotenplatz holen. Und erst dann beim Weltcup in Krakau wird sich entscheiden, wer von den beiden Deutschen in Paris dabei sein dürfen.

Dramatischer ging es fast nicht mehr als beim Wettkampf im Canadier-Einer der Männer. Das Rennen ist beendet, Sideris Tasiadis (KS Augsburg) gewinnt, die Freude ist groß. Dann folgt die bittere Information: Der Wettkampf war teilweise ungültig. Denn im Lauf von Timo Trummer (KV Zeitz) hatte sich ein Torstab gelöst. Nach einer kurzen Unterbrechung wurden mit Lennard Tuchscherer, Franz Anton (beide Leipziger KC) und Sideris Tasiadis (KS Augsburg) die letzten drei Finalisten den Stangenparcours heruntergeschickt. Weil die Toraufhängung aber dabei nicht mehr ganz korrekt war, wie man später feststellte, entschied die Jury nach dem Wettkampf, dass die letzten Vier – darunter Trummer – ihren Lauf wiederholen mussten. Eine enorme mentale und physische Herausforderung.

Einzig frei auffahren konnte Franz Anton, der im Kampf um das Olympia-Ticket bereits ausgeschieden war. Ihm gelang in diesem Wiederholungslauf ein furioses Rennen, das er vor Trummer gewann und mit diesem Sieg gleichzeitig dafür sorgte, dass sein Dauerrivale der vergangenen Jahre, Sideris Tasiadis, trotz dessen durchwachsenen Wiederholungslaufes – er landete nur noch auf Rang fünf –, das Olympia-Ticket löste. Unmittelbar nach dem ganzen Drama sagte Tasiadis, „Es überwiegt jetzt gerade noch die Wut, wie die Entscheidung gefallen ist. Aber es kommt schon jetzt die Freude, dass ich es unter diesen Umständen geschafft habe. Schwierig war es für jeden der Vier von uns. Dass man da noch sauber und gut performt, ist echt schwer. Zwei Läufe hatte ich gewonnen, und dann sollte ich nochmal ran. Dass ich dann nochmal gewinne, das geht fast nicht. Die ganze Anspannung, die ich davor hatte, war natürlich abgefallen. Der ganze Druck der letzten Wochen war weg, das ist ja klar. Ich hatte das Ziel, als ich im Ziel war, ja eigentlich erreicht. Da ist klar, dass mein Körper sagt: Okay, jetzt haben wir unseren Job getan.“ Dennoch reichte es für ihn, dank der Schützenhilfe von Franz Anton.

Olympiasiegerin Ricarda Funk (KSV Bad Kreuznach) jubelte bereits am vorletzten Wettkampftag. Die 32-Jährige sagte mit tränenerstickter Stimme: „Es waren die härtesten Wochen seit den letzten fünf Jahren. Es ist gefühlt härter als die Olympia-Teilnahme. Weil alles, was zählt, ist Platz eins. Platz zwei ist leider zu schlecht.“

Die offizielle Nominierung zu den Olympischen Spielen erfolgt durch den DOSB.

Text + Fotos: Uta Büttner

Wie die IOC bekanntgab, wird ein weiterer Sportler der Kanu Schwaben Augsburg bei den Olympischen Spielen im Kanuslalom an den Start gehen: der gebürtige Iraner Amir Rezanejad Hassanjani.

Er fährt unter der Flagge des IOC-Flüchtlingsteams, das nach Rio 2016 und Tokio 2020 zum dritten Mal an den Olympischen Spielen teilnimmt. Auch der Rennsportler Saeid Fazloula (Iran/ Rheinbrüder Karlsruhe) gehört diesem Team an.

Amir Rezanejad Hassanjani ist seit der Weltmeisterschaft 2022 bei den Kanu Schwaben. Er engagiert sich seit Herbst 2022 zudem Trainer im Schülerbereich der Schwabenkanuten. Er wird direkt vom Internationalen Kanu-Verband (ICF) betreut.

Die Athletinnen und Athleten des Refugee Olympic Team werden anhand ihrer sportlichen Leistungen sowie ihres persönlichen Hintergrundes ausgewählt. Voraussetzung für die Aufnahme ist ein vom UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) anerkannter Status als Flüchtling.

Text + Foto: Marianne Stenglein

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