Andrea Herzog gewinnt historische Bronzemedaille

Es war ein Tag im Kasai Canoe Slalom Centre, der wohl in die Geschichtsbücher eingehen wird. Nicht nur, dass der Canadier Einer der Damen nach den vielen Jahren des Wartens endlich auf der olympischen Bühne ausgetragen wurde. Nein, auch die Ergebnisse des Tages waren historisch – einschließlich der Bronzemedaille von Andrea Herzog.

Dass das deutsche Team offenbar im Vorfeld einiges richtig gemacht hatte, deutete sich bereits mit Bronze von Sideris Tasiadis und dem Sieg von Ricarda Funk an. In der dritten Entscheidung die dritte Medaille zu holen, so erfolgreich war der Deutsche Kanu-Verband seit den Spielen 1996 in Atlanta nicht mehr.

Auf den Schultern von Andrea Herzog lasteten nicht nur die sensationellen Vorleistungen des Teams. Als amtierende Weltmeisterin ins Rennen zu gehen und in den beiden Weltcups dieses Jahr jeweils eine Medaille mitzunehmen, das macht die Sache nicht immer einfacher: „Ich wusste realistisch einzuschätzen, dass eine Medaille für mich möglich ist. Das hat natürlich auch mir selbst sehr, sehr viel Druck gemacht hat. Ich wollte schon gern eine Medaille gewinnen. Das war mein großer Traum.“

Die 21-jährige Wahl-Leipzigerin zeigte im Semifinale einen soliden Lauf. Mit einer Torstabberührung platzierte sie sich auf dem 4. Rang. Eine gute Ausgangsposition für das Finale, bei dem sie es nicht mag, als Letzte starten zu müssen. Diesen Platz hatte hier die Australierin Jessica Fox für sich beansprucht. Sie gilt als Pionierin dieser Disziplin. Als Weltranglistenführende und mehrfache Weltmeisterin führt kein Weg an ihr vorbei, wenn man in Richtung Podium blickt. Sie gewann bereits im packenden Finale der Kajak-Damen hinter Funk Bronze, ihre dritte Medaille bei ihren dritten Spielen.

Andrea Herzog schaffte im Finale nicht noch einmal den „perfekten Lauf“, wie sie ihn bereits des Öfteren gezeigt hatte. „Es waren so einige kleinere Ecken drin. Unter anderem habe ich am Tor neun eine Rückwärtsdrehung gemacht, die eigentlich nicht so geplant war. Es war immer eine Option zu sagen: Wenn ich ein bisschen zu spät bin, dann mache ich die Drehung - einfach um Sicherheit reinzubringen. Das geht schon noch ein bisschen besser.“

Hinzu kam eine Torstabberührung an Tor 17. „Die war wirklich total bescheuert. Aber sie ist nun mal passiert.“ Im Ziel leuchtete danach erst einmal Rang zwei auf – mit noch drei folgenden Athletinnen also keine sichere Bank. Führend war zu diesem Zeitpunkt die Britin Mallory Franklin, die als Weltranglisten-Zweite trotz einer Berührung eine gute Linie fand.

Als die Brasilianerin Ana Satila und die Tschechin Tereza Fiserova auch die Zeit von Andrea Herzog nicht unterbieten konnten, war klar, dass die Wahl-Leipzigerin eine Medaille sicher hatte. Jetzt lag es nur noch an Jessica Fox, wie das Rennen ausgehen sollte. Als sie losfuhr, schien sie diesmal allen Druck, der auf ihr gelastet hatte, an der Startlinie zurückgelassen zu haben. Fehlerfrei und über fünfeinhalb Sekunden schneller als im Lauf zuvor sicherte sie sich den Sieg. Mit ihrer vierten Medaille erkämpfte sich die Australierin nicht nur den historisch ersten Olympiasieg bei den Canadier-Damen, sie ist damit auch die erste Athletin, die in beiden Disziplinen eine Medaille gewann. Dies hatte auch bei den Herren noch keiner geschafft. Gleichzeitig war es die erste Goldmedaille im Kanu-Slalom für die Australier überhaupt.

Andrea Herzog freute sich nicht nur über ihren eigenen Erfolg: „Ich wusste, dass der Lauf nicht perfekt ist und ich hätte mich sicher schon geärgert, wenn es Platz vier geworden wäre. Aber es kommt nun mal so, wie es kommen soll und jetzt freue ich mich einfach sehr über den dritten Platz.“

Zum Erfolg der jüngsten Sportlerin im Team haben mehrere Faktoren beigetragen: „Wir sind eine richtig gute Truppe. Ich habe eine coole Trainingsgruppe in Leipzig, eine tolle Struktur um mich herum, die mich unterstützt. Wir verstehen uns alle super, sind gute Freunde und pushen uns gegenseitig.“ Aber auch das extra Jahr durch die Pandemie hat nicht geschadet. „Ich hatte 2019 ja doch viele Erfolgserlebnisse. Mit dem Druck als Weltmeisterin musste ich erst einmal lernen, umzugehen. Das eine Jahr einfach mal keine Wettkämpfe zu haben, tat mir für den Kopf sehr gut.“ Ihr Trainer Felix Michel nutzte die zusätzliche Zeit, um mit ihr mal ganz anders heranzugehen: „Man lernt nie aus in unserer Sportart. Es geht immer ein bisschen besser. Paddlerisch haben wir sehr viel machen können, weil man nicht den Druck hatte, dass es in zwei Wochen beim nächsten Wettkampf perfekt sein muss. Wir haben die Zeit sehr, sehr gut genutzt. Und ich bin mir sicher, dass das hier auch dazu beigetragen hat“, freut sich die Sportsoldatin.

Text + Fotos: Philipp Reichenbach/DKV

Ergebnisse:
C1w: 1. FOX Jessica (AUS) 105,04 (0), 2. FRANKLIN Mallory (GBR) 180,68 (2), 3. HERZOG Andrea (GER) 111,13 (2)

Alle Ergebnisse unter https://www.eurosport.de/olympia/sport/kanuslalom/event/canoe-slalom-single-women-canoe/

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